Abstract: It is argued that around 1960 the binary system HP Lyr must have encountered a third body of stellar mass.
Das von Ralf Meyer gezeigte (B-R)-Diagramm von HP Lyrae sieht absolut überzeugend aus. Ich vermute, das ist die größte Periodenänderung, die je gesehen wurde - absolut wie prozentual. Wenn man eine Periode um ca. 1 Prozent ändern will, dann muss man entweder die Bahnenergie des Systems oder seine Masse ebenfalls um ca. 1 Prozent ändern. Mit den üblicherweise für die häufigen Periodenänderungen im Millionstel-Bereich zur Erklärung herangezogenen internen Massenverlagerungen oder Magnetfeldänderungen der Partner ist das nicht zu machen.
Eine Massenveränderung des Systems von ca. einem Prozent, - sei es Verlust oder Zuwachs - ist ohne dramatische Effekte wie Lichtausbrüche, Röntgenstrahlung, Emissionslinien ebenfalls undenkbar. Dabei wäre derart viel Energie umgesetzt worden, dass das den Nova-Suchern bestimmt nicht entgangen wäre.
Das einzige, was mir einfällt, ist ein dritter massiver Körper (Stern), der auf einer extrem exzentrischen Bahn durch das System gerast ist und die Bahn gestört hat. Das kann sowohl eine dritte Komponente auf einer sehr schmalen Elllipsenbahn mit einer Umlaufzeit von mindestens einigen Jahrhunderten oder aber ein zufällig vorbei fliegender beliebiger Stern der Milchstraße auf einer Hyperbelbahn sein. Letzteres ist zwar sehr unwahrscheinlich; aber bei HP Lyr immerhin ca. 10000 mal wahrscheinlicher als bei einem eher typischen BAV-Programmstern von 1 oder 2 Tagen Periode. Derartiges kommt alle paar Jahre irgendwo in der Milchstraße vor. Jedenfalls halte ich eine hochexzentrische dritte Komponente für die einzige plausible Erklärung.
Wie könnte man das beweisen? Ich sehe zwei Möglichkeiten, die für Ellipse wie für Hyperbel gleichermaßen gelten.
Erstens: Wenn sich die Natur nicht gegen uns verschworen hat, dann muss bei dieser Erklärung die Radialgeschwindigkeit des Systems nach der Periodenänderung eine andere sein als vorher. Diese Möglichkeit hat den Vorteil, dass sie den Vorgang als solchen wirklich schlüssig beweist. Sie hat den Nachteil, dass dafür eine genaue Systemgeschwindigkeit vor 1960 vorliegen müsste. Ich bin pessimistisch, aber man sollte einmal die Literatur durchsuchen. Ein weiterer Nachteil liegt darin, dass bei einigen raffinierten (aber ziemlich unwahrscheinlichen) Bahngeometrien keine Änderung der Radialgeschwindigkeit des Systems eintreten würde.
Zweite Möglichkeit: Photometrisch oder spektroskopisch wird der dritte Körper nachgewiesen. Das hat den Vorteil, dass man keine hochgenauen alten Messungen braucht. Das hat aber den Nachteil, dass ein dritter Körper, auch wenn er da ist, eventuell für eine Entdeckung zu lichtschwach sein könnte. Und selbst wenn man einen findet, ist damit noch keineswegs bewiesen, dass er tatsächlich 1960 durch das innere System gesaust ist.
Dr. Ulrich Bastian