Jörg Schirmer
Für die Herbstzeit hatte ich mir NN Del, LL Aqr, AL Ari und V1125 Tau aus dem Circular in mein Beobachtungsprogramm geschrieben. Nach Möglichkeit nahm ich mehrmals pro Nacht kurze Serien von zumeist zehn Bildern auf und wertete sie am nächsten Tag fotometrisch aus. Schon in der zweiten Nacht, am 11. September, gelang es mir, NN Del im schwachen Licht aufzunehmen. Die anderen Kandidaten verblieben weiterhin ganz ruhig im Normallicht. Bis zum 14. September meinte es das Wetter gut mit mir, und ich konnte jede Nacht meine Programmsterne überwachen. Nicht ein Minimum zeigte sich, weder bei NN Del noch bei den anderen Sternen.
Die nun beginnende schlechtere Witterung gab mir die Möglichkeit, mich um die Hipparcos-Daten zu kümmern. Vom Sternfreund Thomas Berthold bekam ich die Netzadresse, unter der ich Lichtkurven und Daten der Hipparcos-Mission finden sollte: http://astro.estec.esa.nl/Hipparcos/apps/PlotCurve.html. Nach einigen Versuchen konnte ich tatsächlich die Daten von NN Del abrufen und speichern. Bei den anderen Variablen Sternen ist mir das bis heute nicht gelungen, weil der Internet Explorer beim Aufruf einer neuen HIP-Nummer ständig hängen blieb. Da die HIP-Zeitangaben quasi heliozentrisch korrigiert sind, musste ich mit meinen Daten das Gleiche tun, damit ich sie in gemeinsame Berechnungen einbringen konnte.
Hipparcos Datengewinnung für diesen Stern erstreckte sich über einen Zeitraum von 1008 Tagen, wobei an insgesamt 24 Tagen 94 Messungen durchgeführt wurden. Während dieser Zeit konnte dann ein Datensatz gewonnen werden, der den Stern im Minimum zeigte. Damit war klar, dass es sich um einen Veränderlichen handeln musste.
Nach der heliozentrischen Korrektur habe ich dann alle Datensätze zusammengeführt. Dadurch entstand ein recht langes Diagramm mit reichlich Datenpunkten bei 8m5 und an zwei weit auseinander liegenden Stellen auch mal Werte zwischen 8m8 und 8m9, eben die beiden Minima. Aus diesem Diagramm konnte ich nun nicht so ohne weiteres die Periode dieses Veränderlichen ablesen. Freundlicherweise gab es aber zu diesem Zweck schon ein fertiges, passendes Programm. Auf der BAV-Seite im Internet folgte ich dem Link zum Programm AVE (Analisis de Variabilidad Estelar), das von spanischen Astronomen der Grup d'Estudis Astronomics (GEA) erstellt wurde. Neben der spanischen gab es auch eine englische Version.
Nachdem ich die Daten in das geforderte Format gewandelt hatte, konnte ich das Programm nach einigen Vorübungen endgültig starten und mit den Zahlenkolonnen füttern. Schon nach wenigen Sekunden lag eine Ergebnisgrafik vor, in der die dortigen Minima mögliche, zutreffende Perioden anzeigten. Der extremste Wert zeigte eine Periode von 9,669 d an. Diesen Vorschlag übernahm ich in mein Programm zur Erstellung eines Phasendiagramms. Wie die folgende Abbildung zeigt, ließen sich damit alle bisherigen Beobachtungen gut in einer Lichtkurve mit einem Hauptminimum darstellen; anscheinend ein typischer Algol-Veränderlicher.
Nun galt es, dieses Ergebnis durch weitere Beobachtungen zu verifizieren. Sehnsüchtig wartete ich auf die nächste klare Nacht. Optimal wäre die Nacht vom 10. zum 11. Oktober, da mein MinMax- Rechner für den 11.10. um 0:02 MEZ ein weiteres Minimum für NN Del vorhersagte. Doch zunächst konnte ich am 6. Oktober einige Beobachtungen im Maximum machen, die sich gut in die Lichtkurve einfügten. Am 10. klarte es bereits am Nachmittag auf und blieb auch die Nacht so. Diesmal verarbeite ich die Photometriedaten sofort weiter, aber der Helligkeitswert blieb Stunde um Stunde im Bereich 8m5 stehen, nicht der kleinste Helligkeitsabfall. Um mögliche Fehler in der Berechnung abzufangen, beobachtete ich auch die Nacht vom 11. auf den 12. Oktober. Auch hier zeigte sich der Stern wieder im Maximallicht. Pech gehabt, kein Minimum. Die vermutete Periode stimmte demnach nicht.
Mit den neuen Daten startete ich die gesamte Rechenprozedur von Neuem und erhielt diesmal den möglichen Wert von 10,9666 d. Die damit erstellte Lichtkurve zeigte zu meiner Überraschung plötzlich ein starkes Nebenminimum bei der Phase 0,339, nämlich das von mir beobachtete (s.u.). Nun gut, dann eben ein elliptisches Algol- System mit zwei fast gleich tiefen Minima. Ein ähnliches System hatten ja schon D. Husar (Hamburg) und H. Achterberg (Norderstedt) mit VW Peg enthüllt.
Aber der November brachte noch eine Überraschung für mich. Während sich die Beobachtungen vom 2. d. M. gut einfügten, fand ich den Veränderlichen am 5. November auch im Maximallicht, doch leider genau zum Zeitpunkt des Nebenminimums. Also stimmte auch die zweite Periode nicht.
Ich ließ nun alle Werte wiederum durch das AVE-Programm laufen. Dabei ergab sich eine Periode von 12,668812 d, die ebenso ein Algol-System mit zwei tiefen Minima zeigte wie die vorhergehende Berechnung.
Bei NN Del ist das letzte Wort noch nicht gesprochen. Zwar zeigt mein MinMax-Rechner für den Rest der Sichtbarkeitsperiode keine Extremwerte mehr an, aber zur Lösung des Problems muss ich unbedingt ein weiteres Minimum beobachten. Es bleibt demnach weiter spannend.